Artikel und Bild - Wilhelmshavener Zeitung vom 16.10.2019

„Ich habe Rotz und Wasser geheult“

TRIATHLON - Vor 25 Jahren schaffte der Wilhelmshavener Horst Greb auf Hawaii Außergewöhnliches

Artikel von Dennis Sandhorst, WZ-Foto: Gabriel-Jürgens

Die Langdistanz – auch als Ironman bekannt – entdeckte der heute 81-Jährige erst spät für sich. Nach seinem ersten Start nahm die Karriere jedoch richtig an Fahrt auf.

Als die deutschen Triathleten Jan Frodeno und Anne Haug am Wochenende den Ironman auf Hawaii gewannen und sich zu Weltmeistern der Langdistanz (3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen) krönten, saß der Wilhelmshavener Horst Greb vor dem Fernseher. Oft genug war er selber in Hawaii, hat an dem ikonischen Langdistanz-Wettkampf auf der US-amerikanischen Insel teilgenommen. Insgesamt siebenmal war er Teil des bekanntesten Triathlons weltweit.

„Es schmerzt schon, den Ironman lediglich vor dem Bildschirm verfolgen zu können“, sagt der 81-Jährige. Als Triathlon-Tourist anzureisen, kommt für den gebürtig aus Würzburg stammenden Vollblut-Athleten nicht in Frage. „Am Rand stehen und zuschauen, das kann ich nicht“, gesteht sich Greb ein. „Das wäre noch emotionaler – eine unerträgliche Vorstellung.“

Viele emotionale Momente verbindet Greb mit dem Ironman-Wettkampf auf Hawaii. Die prägendsten Eindrücke sammelte er jedoch direkt bei seiner Premiere. Am 15. Oktober 1994, vor fast auf den Tag genau 25 Jahren, startete der 81-Jährige das erste Mal auf der Insel. Für die Weltmeisterschaft hatte er sich erst etwa drei Monate zuvor qualifiziert – bei seiner ersten Langdistanz im bayerischen Roth. „Im Laufe des Jahres gibt es mehrere Möglichkeiten, sich bei verschiedenen Langdistanz-Wettkämpfen für Hawaii zu qualifizieren. Um das zu schaffen, muss man allerdings in der Regel seine Altersklasse gewinnen. Manchmal reicht auch ein zweiter Platz“, erklärt Greb.

Gesagt, getan: Horst Greb kam nach 10 Stunden und 48 Minuten ins Ziel – und gewann die AK 55. Mit 56 Jahren durfte Greb so am besagten 15. Oktober 1994 beim wichtigsten Triathlon des Jahres starten. An den Tag und auch die Wetterbedingungen erinnert sich der Wilhelmshavener noch ganz genau: „Es herrschte starker Seitenwind und es war natürlich sehr warm. So rund um die 30 Grad müssen es gewesen sein.“ Der Wettkampf lief von Anfang an nach Plan für den ehemaligen Marinesoldaten, obwohl seine Stoppuhr den Geist aufgab. „Eine zeitliche Orientierung fiel dadurch weg. So musste ich auf meine innere Uhr und meinen Körper hören. Zum Glück war das immer eine meiner großen Stärken.“

Sein Talent, die Belastung am Maximum zu halten und dabei nicht zu überdrehen, spielte Greb dann auf dem zweiten Teilstück – der Radstrecke – besonders aus. Auf zwei Rädern lieferte er sich einen spannenden Zweikampf mit dem Niederländer Hans Dieben, der ebenfalls in der AK 55 an den Start ging. „Er hat versucht, taktische Spielchen mit mir zu spielen. Ich habe versucht, weiterhin mein Rennen zu fahren, auch als er mir einen Kilometer vor dem Wechsel zum Laufen entwischt ist.“

Das zahlte sich aus: Der Niederländer hatte auf der Radstrecke alle Körner gelassen und musste aufgeben. Horst Greb lief weiterhin „sein Rennen“ und erreichte nach 11 Stunden, 18 Minuten und 16 Sekunden das Ziel. Von seinem großen Erfolg ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nichts: „Meine Zeit kannte ich natürlich, was sie zu bedeuten hatte, konnte ich noch nicht einschätzen. Die Ergebnisse lagen noch nicht vor. Die Veranstalter brauchten, in den Zeiten bevor das alles digital abgerufen werden konnte, etwas länger dafür.“

So ließ sich Horst Greb zunächst von den Streckenposten versorgen und kam nach den Strapazen der Langdistanz zur Ruhe. Auch auf dem Rückweg ins Hotel ahnte er noch nichts. „Dort habe ich mich mit meiner Frau Christel, die mich in all den Jahren immer tatkräftig unterstützt hat, erstmal darüber gefreut, dass ich es ins Ziel geschafft habe.“

Erst am Morgen nach seinem Zieleinlauf wurde ihm bewusst, was er geschafft hatte. „Die Ergebnislisten hingen in der Hotel-Lobby. Ich habe mir alle angeschaut, bis ich zu meiner Altersklasse gekommen bin – und meinen Namen ganz oben sah. Ich hatte gewonnen, das war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich habe sofort Rotz und Wasser geheult“, erinnert sich Horst Greb. Auch auf die Siegerehrung blickt er gerne zurück. „5000 Zuschauer, die einem zujubeln. Das passiert einem schließlich nicht täglich.“

Angetrieben von diesem Erfolgserlebnis sollte es weitergehen für den frisch gebackenen Ironman. Unbedingt wollte er es nochmal nach Hawaii schaffen. Greb: „Ich musste mich natürlich wieder neu qualifizieren. Die Regelung, dass Altersklassen-Sieger im kommenden Jahr automatisch zum Start berechtigt sind, gab es damals noch nicht.“

Diese Regelung brauchte Horst Greb auch nicht. Bereits zwei Jahre nach seinem ersten Auftritt gelang ihm der erneute Sprung nach Hawaii. In den Jahren 1998, 2004, 2008, 2009 und 2010 wiederholte er dieses Kunststück. Bei seinem letzten WM-Auftritt war der Wilhelmshavener 72 Jahre alt. Wie bei seinen vorherigen Teilnahmen, schaffte er es auch vor neun Jahren ins Ziel – und zwar als 14. der Altersklasse 70 in 15 Stunden, 11 Minuten und 10 Sekunden.

Für ganz oben reichte es im übrigen nicht mehr, dafür gelangen ihm bei seinen weiteren Starts auf der US-amerikanischen Insel noch drei dritte Plätze in der Altersklasse. Nach 2010 war dann Schluss, allerdings nicht mit dem Triathlon-Sport. Er trainiert – wie auch während der Zeit, als er noch Langdistanzen zurücklegte – Triathleten in seinem Verein, dem TSR Olympia. Und an den Start geht Horst Greb auch noch. „Zunächst bin ich noch bei Wettkämpfen über die Olympische Distanz gelaufen, jetzt bin ich auf den Sprint spezialisiert.“

Auch hier ist er weiterhin erfolgreich, was Titel bei Landesmeisterschaften beweisen. „Jetzt bin ich eben der schnellste Opa Niedersachsens“, kommentiert Greb diese sportliche Entwicklung und lacht laut.

Bei seinen sieben Hawaii-Teilnahmen hat Horst Greb so einige Medaillen eingesackt. Wertvollste Trophäe der Sammlung bleibt aber der Siegerpokal von 1994.

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